Reflexives Handeln oder "Selbst-Führung"?
Abstract
Angeregt durch empirische Befunde zum Wandel von Erwerbsverläufen und Geschlechterverhältnissen untersucht der Beitrag verschiedene theoretische Zugänge nach Erklärungen dafür, wie Individuen auf Reformen des Wohlfahrtsstaates reagieren. Ausgangspunkt der theoretischen Überlegungen ist ein empirisches Forschungsprojekt über Doppelkarriere-Paare, in denen beide Partner eine hohe, zumeist akademische Qualifikation aufweisen und jeweils eine eigenständige berufliche Karriere vorweisen. In dem Projekt geht es unter anderem darum, wie sozialpolitische Regelungen auch deren Erwerbsverläufe und Muster partnerschaftlicher Arbeitsteilung beeinflussen, obwohl sie auf die Lebensrealität dieser Gruppe nicht zugeschnitten sind. Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die theoretischen Ansätze von Beck und Foucault, wobei ersterer den Individuen reflexives Handeln und letzterer widerständiges Handeln zugesteht. Nutzen sowie die Grenzen dieser theoretischen Überlegungen für die Analyse individuellen Handelns im Kontext eines Umbaus des Wohlfahrtsstaats werden diskutiert. Insbesondere wird Foucaults Ansatz, der Regierungstechniken mit Selbsttechniken verknüpft, als geeignet betrachtet, um das Zusammenspiel von staatlicher Regulierung und individuellem Handeln zu analysieren. Die Autorin plädiert für eine Rekonzeptionalisierung der Sozialpolitikforschung mit dem Ziel, die Deutungen und Selbsttechnologie von Individuen einzubeziehen und die reflexive Bearbeitung widersprüchlicher Handlungsanforderungen, Leitbilder und Anreizstrukturen durch die Individuen empirisch zu rekonstruieren. (IAB)
Cite article
Henninger, A. (2007): Reflexives Handeln oder "Selbst-Führung"? Individuen zwischen Markt, Familie und sozialstaatlicher Regulierung. In: K. D. Wolf (Hrsg.) (2007): Staat und Gesellschaft - fähig zur Reform? : 23. wissenschaftlicher Kongress der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft, p. 111-125.